Alles braucht seine Zeit: „Momo“ feierte umjubelte Premiere bei den Festspielen
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Die Geschichte des kleinen Mädchens, das die Welt rettet, ist das Familienstück der 70. Bad Hersfelder Festspiele.
Bad
Hersfeld. Die ersten Filme, die ich jemals im Kino gesehen habe, waren
„Die unendliche Geschichte“ und „Momo“. Bleibende Erinnerungen. Und nun
wird „Momo“ bei den 70. Bad Hersfelder Festspielen aufgeführt. Die Reise
in das Buch von Michael Ende, das 1973 erschien, wurde in der Regie von
Georg Büttel auf der Bühne der Stiftsruine zu einer lebendigen,
herzergreifenden, einfallsreichen, unterhaltsamen und aktuellen
Inszenierung.
„Geh‘
doch zu Momo“, sagen die Bewohner des Viertels mit dem alten
Amphitheater in einer italienischen Stadt zueinander. Denn Momo kann gut
zuhören. Janina Stopper in der Titelrolle brilliert mit ihrer
kindlichen Darstellung des Mädchens, betont aber auch deren Facetten der
Weisheit, die bezeichnend für die Figur der Momo sind.
Hersfeld-Preisträger
Günter Alt als liebenswerter Beppo Straßenkehrer ist der ruhige Freund
Momos, Sebastian Brummer als Gigi Fremdenführer der exaltierte. Und da
sind noch viele andere Personen in Momos Welt, die das Ensemble aus Otto
Beckmann, Aki Tougiannidis, Andreas Bittl, Nadine Germann, Thomas
Pfertner, Veronika Hörmann, Anna Knott und Kiara Bunken in immer wieder
wechselnden Rollen stets eindrucksvoll darstellen. Pia Kolb als Chefin
der „Grauen“ – hier sind es nicht wie in der Buchvorlage ausschließlich
graue Herren – beeindruckt durch Spiel, Ausdruck und Bühnenpräsenz. Die
Grauen in ihrer Gesamtheit wirken allein durch ihre außergewöhnlich
choreografierte Körpersprache bedrohlich.
Die
Story, dass die Menschen durch Zeitdiebe allem entsagen, was Freude
bereitet, ist auch fast 50 Jahre nach dem Erscheinen des Romans aktuell.
Büttel hat die Geschichte in ein farbenfrohes und lebendiges Gewand
gepackt. Meister Hora als überlebensgroße Figur und als Handpuppe, die
Schildkröte Kassiopeia ebenfalls als Puppe mit sehr einfallsreichem
„Bewegungsapparat“ beeindrucken ebenso wie das Ensemble, das in
kürzester Zeit von Rolle zu Rolle schlüpft – und dabei uneingeschränkt
glaubhaft bleibt.
Die
Musik von Wilfried Hiller, die der Komponist für eine Bühnenadaption
des Stückes in 2013 mit Büttel als Regisseur in Garmisch-Partenkichen
schrieb, trägt durch ein großes Percussion-Instrumentarium, Klarinette
und Violine sowie dem Musikalischen Leiter der Festspiele, Christoph
Wohlleben, am Klavier, zur Handlung bei, untermalt, unterstützt und
endet mit einem klangvollen Chor „Tutto é bene“ (zu deutsch: Alles ist
gut) des Ensembles.
Kleine
(und größere) Effekte wie das schnell wandelbare Bühnenbild von Thomas
Bruner oder die Manga-artigen Puppenfiguren Bibi-Girl und Bubi-Boy
bereichern „Momo“ in Bad Hersfeld.
Die Inszenierung des Familienstücks bei den Jubiläumsfestspielen ist rundum gelungen, einfallsreich und ein Sahnestück für Kinder und Erwachsene. Und wären (leider) nicht alle „Momo“-Aufführungen dieses Festspielsommers ausverkauft, würde ich der Leserschaft zurufen: „Geh‘ doch zu Momo!“
Rubriklistenbild: © Göbel